Sie nennen sich nativ extra, doch nicht
alle 28 Olivenöle im Test verdienen diesen Namen. Sechs Olivenöle sind
„mangelhaft“ – fast alle schmecken ranzig. „Gut“ sind am Ende nur vier.
Die
Olivenhaine von Kalabrien, im Süden des italienischen Stiefels gelegen,
sind Heimat des besten Olivenöls im Test. Jenes Olio extra vergine
d’oliva, wie die Italiener die höchste Güteklasse nativ extra nennen,
kommt von der italienischen Feinkostmarke LaSelva. Unsere geschulten
Verkoster beschrieben es als mittelfruchtig, leicht bitter und
mittelscharf. Es war gut ausgewogen im Geschmack, und dieser hielt
lange an. Neben dem Bio-Olivenöl LaSelva erreichen nur noch drei
weitere native Olivenöle extra das test-Qualitätsurteil „gut“: Cucina
von Aldi (Süd), Gaea und das Aktionsangebot Italiamo von Lidl.
Die sechs „Mangelhaften“
Um
ein Olivenöl der Spitzenklasse nativ extra zu werden, braucht es viel,
zunächst einmal frisch geerntete, einwandfreie Oliven. Das Öl darf nur
mit mechanischen Verfahren gewonnen werden. Wärmezufuhr ist generell
tabu. Auch nicht erlaubt bei nativem Olivenöl extra sind Geruchs- und
Geschmacksfehler. Das Öl muss ein Mindestmaß an Fruchtigkeit haben.
So schreibt es die EU-Olivenöl-Verordnung vor.
Sechs Öle halten
diesen strengen Kriterien jedoch nicht stand: Oliveira da Serra von Aldi
(Nord), A&P von Kaiser’s Tengelmann, K Bio von Kaufland,
Belluccino von Norma, San Centino und Baktat. Bei ihnen stellten die
Prüfer sensorische Fehler fest, wie zum Beispiel „ranzig“,
„stichig-schlammig“ oder „roh“. Solche Fehler können entstehen, wenn die
Oliven vor dem Pressen beschädigt waren, zu lange oder falsch gelagert
wurden. Wird aus diesen Früchten gewonnenes Öl dann Luft und Licht
ausgesetzt, kann es bis hin zur Ranzigkeit oxidieren.
Alle sechs
Öle sind „mangelhaft“. Fünf von ihnen dürften nur als „natives“ Olivenöl
verkauft werden, Baktat dürfte gar nicht über den Ladentisch gehen. Es
hat nur „Lampant“-Qualität (siehe „Glossar“).
Teuerstes Öl kostet 57 Euro pro Liter
Die
übrigen Olivenöle erweisen sich als Durchschnittsware: Gleich 15-mal
heißt es „befriedigend“, 3-mal „ausreichend“. Meist sind Geruch und
Geschmack nur Mittelmaß. Und falsche oder fehlende Angaben auf den
Etiketten führen zu schlechten Noten in der Deklaration. Auf dem Etikett
muss zum Beispiel stehen: „Erste Güteklasse – direkt aus Oliven
ausschließlich mit mechanischen Verfahren gewonnen“. Um die Öle
vergleichbar zu machen, ist das EU-weit so vorgeschrieben. Das fehlte
beim teuersten Öl im Test, dem Tropföl Roi Carte Noire, das über das
Feinschmecker-Magazin für 57 Euro pro Liter bestellt werden kann. Auch
darum kommt das Tropföl insgesamt nur auf „Befriedigend“. Schade, denn
die sensorische Qualität ist „gut“. Auch beim fast genauso teuren
Herdade dos Grous, ebenso über den Feinschmecker zu beziehen, hapert es
an der Deklaration.
„Befriedigende“ Olivenöle gibt es im übrigen
auch für deutlich weniger Geld. Um ein Vielfaches günstiger sind Casa
Morando von Aldi (Nord) sowie Real/Tip für je 3,45 pro Liter. Überhaupt
kaufen die Deutschen einen Großteil des Olivenöls bei den Discountern
ein und greifen dafür auch mal tiefer in die Tasche, etwa für das
„gute“ Italiamo von Lidl für 12 Euro pro Liter. Landesweit werden
schätzungsweise 50 000 Tonnen Olivenöl pro Jahr verkauft.
Fast alle sind mittelfruchtig
Nur
geschulte, trainierte und offiziell anerkannte Prüfpersonen dürfen
Olivenöl der obersten Güteklasse sensorisch beurteilen. Genauer gesagt,
es müssen Olivenöl-Panels sein. Das sind Gruppen von acht bis zwölf
dieser Prüfpersonen. Obwohl in Deutschland keine Olivenbäume wachsen,
gibt es auch hier drei solcher Panels. Sie bewerten die Güteklasse und
ob ein Olivenöl leicht, mittel oder intensiv bitter, scharf und fruchtig
ist. Von den Ölivenölen im Test sind 20 mittelfruchtig und 2 leicht
fruchtig: Eden und Sasso. Alle Olivenöle sind leicht bis mittel bitter,
scharf kommt in allen Intensitäten vor.
Olivensorte und Reifegrad
der Oliven bestimmen, wie bitter ein Olivenöl schmeckt. Grün geerntete
Oliven und manche Sorten machen ein Olivenöl scharf. Die Schärfe ist
über ein leichtes Brennen am Gaumen zu spüren. Sie wird mit zunehmendem
Alter des Öls schwächer. Groß ist die Vielfalt der fruchtigen Noten, sie
können an frisch geschnittenes Gras, Nusskerne oder gekochtes Gemüse
erinnern. Wie bei Wein entscheiden Sorte, Klima, Boden, Reifegrad und
Verarbeitung über die Fruchtigkeit.
Keine Weichmacher, aber PAK
Erstmals
seit fünf Jahren fanden wir keine Weichmacher mehr in den Olivenölen.
Unsere letzten Tests schlugen hohe Wellen, da wir unter anderem DEHP
nachgewiesen hatten, das im Tierversuch fortpflanzungsschädigend
wirkt (siehe
Test Olivenöl 10/05,
Test Speiselöle 1/06,
Olivenöl nativ extra 5/06).
Seitdem haben die Olivenölproduzenten das Problem wohl in den Griff
bekommen, auch wenn unklar bleibt, wie Weichmacher im Olivenöl landeten.
Mögliche Ursachen waren Schläuche beim Abfüllen oder Transportbänder.
Schadstofffrei sind die Olivenöle dennoch nicht. Wir wiesen in allen
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nach, wenn auch in
unbedenklichen Mengen. PAK gelangen etwa über Abgase von
Diesel-Fahrzeugen in die Oliven und ins Öl. Bei Baktat fanden wir
Benzo(a)pyren, einen kritischen PAK-Vertreter, der auch als
krebserregend gilt. Die Menge betrug ein Fünftel des Grenzwerts von
zwei Mikrogramm pro Kilogramm.
Von der Mittelmeerkost abgeschaut
Gourmets
sehen im Olivenöl mehr als eine Zutat für Salate. Sie huldigen dem
„grünen Gold“ geradezu wie einem guten Wein, schwören auf sein Aroma,
seine Vielfalt und setzen es bewusst als kulinarisches Highlight ein.
Olivenöl ist aber auch in der Küche als Allzweck-Öl gut geeignet: sei es
zum Braten, Frittieren oder Backen. Dass Olivenöl gesund ist, weiß man
spätestens, seit Experten den mediterranen Lebensstil näher untersucht
haben. Es zeigte sich, dass die niedrigeren Herzinfarktraten rund ums
Mittelmeer auch mit dem hohen Konsum von Olivenöl zusammenhängen. Ein
Grieche verzehrt etwa 18 Liter im Jahr, ein Italiener 11, ein Deutscher
hingegen nur rund 1 Liter. Von Mitte der 1980er Jahre bis 2002 förderte
die EU den Olivenölkonsum über Kampagnen. Bis heute subventioniert sie
den Olivenanbau und die Ölproduktion.
Nur Rapsöl ist noch gesünder
Olivenöl
besteht zu Dreiviertel aus einer einfach ungesättigten Fettsäure, der
Ölsäure. Sie kann helfen, die negative Cholesterinfraktion im Blut, das
LDL, zu senken – vorausgesetzt die Ölsäure ersetzt gesättigte
Fettsäuren in der Nahrung. Zudem erhöht Ölsäure die
Insulinempfindlichkeit und wirkt sich günstig auf die Blutgerinnung
und vermutlich auch auf den Blutdruck aus. Ein noch günstigeres
Fettsäurespektrum als Olivenöl hat allein
Rapsöl. Es gilt als ideal, kann aber mit der geschmacklichen Vielfalt von nativem Olivenöl extra nicht mithalten.
Nicht
nur die Fettsäuren, auch die sekundären Pflanzenstoffe wie
beispielsweise Polyphenole machen Olivenöl so gesund, ebenso
Tocopherole – besser als Vitamin E bekannt. Viele Studien zeigen, dass
sie die Körperzellen gut vor einer Schädigung durch Sauerstoff schützen
können.
Mythos und Wirklichkeit
Olivenöl
wird nicht nur als Genuss- und Heilmittel, sondern auch als Kulturgut
gesehen. Seine Geschichte ist eng mit Griechenland verbunden. Der
Mythos sagt, dass Athene einen Götterstreit gewann, indem sie einen
Olivenbaum pflanzte. Er brachte den Menschen Nahrung, Öl für Arznei,
Körperpflege und sakrale Zwecke. Zeus belohnte sie dafür mit der
Vorherrschaft in Attika.
Auch außerhalb der Sagenwelt gilt
Griechenland, besonders die Insel Kreta, als eine Wiege des
Olivenanbaus. Heute gibt es dort etwa 20 Millionen Bäume. Im Test kamen
fünf Öle aus Griechenland, neun aus Italien, zwei aus Spanien, je
eines aus Portugal und Tunesien. Die Herkunft muss seit 2009 angegeben
werden (siehe „Neue Regeln“). Doch die Sache hat einen Haken: Bis jetzt
ist es nicht möglich, die Herkunft eines Öls im Labor auch zu
kontrollieren.